Lanfer – 1300 Meter lang und führt von Nord nach Süd durch Belecke – B55

Woher stammt der Name der fast 1300 Meter langen Straße von der Kreuzung Zum Horkamp/Bahnhofstraßedirekt an Stütings-Mühle bis zum Ortsausgang Richtung Warstein? Diese Straße, Beleckes Lanfer, war im 19. Jahrhundert ein Teilstück der Koblenz-Mindener Landstraße. Die gesamte Straße wurde von 1816 bis 1828 in mehreren Etappen gebaut, um die Garnisonsstädte Koblenz und Minden zu verbinden. Dies kann jeder an dem Meilenstein zwischen Warstein und Stimm-Stamm nachlesen.

Seit einigen Jahren transportiert die WLE geschlagenen Fichten aus dem heimischen Wald 

Etwas zeitversetzt baute man die Köln-Olper Chaussee von Köln ins Oberbergische Land. Die Köln-Jülicher Straße war die Hauptverbindungsstraße zwischen Köln und Aachen. Auf allen Straßen ging man zu Fuß, Waren wurden mit Pferdefuhrwerken transportiert oder Postkutschen verkehrten. 

1934 verknüpfte man diese drei Teilstücke zur Reichsstraße 55, heute Bundesstraße 55. Die 213 km lange Bundesstraße führt von Jülich, Köln, Bergneustadt, Olpe, Meschede, Belecke und Lippstadt bis nach Rheda-Wiedenbrück. Das 1300 Meter lange Teilstück in Belecke ist die Lanfer. Hier verkehren heute ca. 11.000 PKW und 1300 LKW pro Tag. Zusätzlich fährt parallel der Lanfer die WLE mit ihren Kalksteinzügen, die Brauerei transportiert ihre Produkte und seit 2019 wird verstärkt Holz aus dem Warsteiner Wald abgefahren. Durchschnittlich fahren täglich zwölf Züge und vor jedem der 13 Übergänge wird laut gehupt. 

Der Name Lanfer leitet sich ab von Landwehr oder Landgraben und war seinerzeit ein Grenzsicherungswerk. Dieses gehörte wie eine Stadtmauer zur Befestigung einer Stadt oder eines Siedlungsgebietes und erstreckte sich über viele Kilometer. Die Befestigung der Landwehren war unterschiedlich. Wenn möglich legten die Landesherren doppelte Wassergräben mit einem Wall in der Mitte, mit Dornenhecken bebuschte Wallhecken oder Palisaden an. Einfache tiefe Wassergräben waren ebenso ein Hindernis. 

An stark frequentierten Wegen errichtete man vor großen Städten Wehrtürme mit Schlagbäumen und entsprechendem Sicherungspersonal. Oftmals verlangten die Landesherren Wegezoll von Reisenden und Kaufleuten. Der römische Limes ist ebenfalls so ein Landwehr. Eine Landsicherung sollte die Bewohner gegen Übergriffe von Feinden in Kriegen schützen und Räuberbanden am Betreten des Gebietes hindern.

An bedeutenden Stationen siedelten sich Gastwirtschaften an die Durchreisende mit Essen und Trinken versorgten. So oder ähnlich wird es an der heutigen Lanfer gewesen sein, als Verbindungsstraße von Rheinland bis Ostwestfalen. 

Ein Foto aus den 1930er Jahren, rechts Gasthof und Bäckerei Hoppe
Bauernhof Borghoff, später die Schreinerei von August und Alfred Borghoff, hier kann man das Kopfsteinpflaster erkennen. 

Zur damaligen Zeit war die Lanfer sicherlich eine Schotterstraße mit tiefen Spurrillen und nach nassem Wetter eher eine Moraststraße. Später verlegte man in der Lanfer Kopfsteinpflaster. Für Pferdefuhrwerke, die auch Steine und Erze aus Warstein über den Haarstrang weitertransportierten ein Kraftakt. Eben an dieser Straße baute die Warstein-Lippstädter Eisenbahn ab 1880 auf drängen verschiedener Unternehmer aus Belecke und Warstein die Eisenbahnlinie nach Lippstadt. 1883 wurde die Strecke in Betrieb genommen. 

Die WLE-Trasse zwischen Lanfer und Wohnhäusern 

Wilhelm Hammacher gehörte auch zu den Kunden der WLE. Seit 1834 produzierte er in der Lanfer 86 (Lehrwerkstatt der Siepmann-Werke) Stifte und Nägel für den Weltmarkt, später übernahmen die Phoenix-Werke das Anwesen und die Produktion. Als 1946 von den Brüdern Siepmann die Firma PERSTA gegründet wurde, produzierte sie hier ihre ersten Armaturen. Zur Lehrwerkstatt der Siepmann-Werke: dort begann für viele Generationen die Ausbildung in einen metallverarbeitenden Beruf. 

Lanfer und die Ausbildungswerkstatt der Siepmann-Werke mit dem dazugehörigen Sportplatz 
Ein Blick auf die Lanfer und Beukenbergstraße, links Metzgerei Kutsche, VW-Werkstatt Ludewig mit Shell-Tankstelle. 

Vor der Industrialisierung ging es an der Lanfer eher beschaulich zu. Hin und wieder verkehrten Pferdefuhrwerke, Postkutschen, Kaufleute oder Wandergesellen auf der Lanfer. Für einige Belecker war das 19. Jahrhundert der Zeitpunkt, an der Lanfer sesshaft zu werden. Damit ihre schwer beladenen Pferdefuhrwerken nicht mehr die steile Wilkestraße oder den Westerberg hinauf mussten. 

In den 1960er Jahren, WLE-Dampflokomotive in Höhe des Marktplatzes

So errichtete um 1820 Sondermann, genannt Steffens, sein Haus in der Lanfer 41, (heute Meier) nach ihm wurde der spätere Steffensweg benannt da er im Besitz der Felder war, später Erbschaft an Meier; 1847 erbaute Rubarth genanntWauker seinen Hof an der Lanfer 33; Um 1860 baute Voßwinkel, Rentmeister auf Welschenbeck, einen Hof mit großen landwirtschaftlichen Stallungen in der Lanfer 44, Verkauft an Rüther; Wilhelm und Klara Lenze siedelten 1872 ihrenHof an der Lanfer 24. Früher ein Stall der Ramsbecker Erzgruben für Umspannpferde. Später übernahm Bange genanntStirks das Anwesen; 1894 erbaute Joseph Borghoff, Lanfer 27 seinen Bauernhof, danach Schreinerei von August Borghoff; an der Ecke Silbkestraße/Lanfer baute Eduard Simon einen Bauernhof für Landwirtschaft und Ziegelei. Später übernahm Ludwig Rüther, genannt Klogges, das Anwesen. Hier steht die jetzige Feuerwache.

Haus Wüllner und Texaco-Tankstelle, das Wohnhaus musste der Erweiterung der Tankstelle weichen.

Zu diesen landwirtschaftlichen Anwesen gesellten sich weitere schmucke Fachwerkhäuser. Besonders erwähnenswert das Haus Lanfer 59. Hier war bis 1930 das Belecker Forsthaus untergebracht. Später kaufte es Friseurmeister Hermann Hoppe und richtetet dort einen Damen- und Herrensalon ein. Kleine Besonderheit: bis in die späten 1960er Jahre gab es für die Kundschaft ein Plumpsklo als Kundentoilette. 1898 errichteten Franz und Helene Heppe das Haus Lanfer 62, heutige Gastwirtschaft Hoppe. Hermann Hoppe, genannt Söffkens, übernahm 1905 das Haus und eröffnete zunächst einen Gasthof und eine Bäckerei. Später kam noch ein Kolonialwarengeschäft hinzu. 

Haus Rüther, der Abriss erfolgte 2006

Auch für weitere Betriebe war die Lanfer eine lukrative Adresse: Belecker Blumenhäuschen, ein kleiner Verkaufsladen mit frischen Blumen und Sämereien. Gebr. Risse & Osterholt GmbH Terrazzo-Steinwerke, gegründet 1921 (Verwaltungsgebäude), August Borghoff (Schreinermeister), Texaco-Tankstelle neben Haus Wüllner, Josef Wilmes (Elektromeister), Schreinerei und später Möbelhaus Schmitz, Fina-Tankstelle zwischen Haus Rath und Friseurmeister Hermann Hoppe, in zweiter Reihe Zimmerei Felix Blecke, VW-Werkstatt und Shell-Tankstelle Ludewig, später Krawag, dann Belda und heute Rinke & Knipps, Metzgerei Arthur Kutsche, Vollmer Autozubehör und Lanfer 99 Ford-Werkstatt mit BP-Tankstelle, Familie Meinold. Johannes Löffeler (Friseurmeister), Josef Elend (Maurermeister), Reifen Rolleff ehemals Hof Clemens Rüther. Manfred Moritz (Elektromeister), Wartehäuschen der WLE mit Fahrkartenverkauf und Lanfer 98 war zunächst die Verwaltung der Westfälischen Union, später die Siepmann-Werke. 

In diesem Fachwerkhaus betrieb Hermann Hoppe seinen Damen- und Herrensalon 

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts veränderte sich das Bild der Lanfer. Keine Neubauten mehr, zahlreiche Häuser nicht mehr bewohnt, teilweise verfallen. Die inzwischen stark frequentierte Bundesstraße, mit sehr hoherVerkehrsauslastung, Lärm- und Schmutzbelästigung macht es immer schwieriger hier Häuser zu vermieten oder zu verkaufen. Deshalb wurden in den letzten Jahren folgende Gebäude abgerissen:

– Verwaltungsgebäude Gebr. Risse & Osterholt GmbH für den Ausbau der Bundesstraße 55 (ca. 2001), 
– Belecker Blumenhäuschen (ca. 1977), 
– Haus Gentile wegen Erweiterung der Feuerwache (2018), 
– Haus Wessel, Neubau im Garten (2005), 
– Haus Wüllner, Ecke Hirschberger Straße wegen Vergrößerung Texaco Tankstelle, später DEA (August 1989), 
– Haus und Hofgebäude Clemens Rüther (2007), 
– Häuser Friseurmeister Hermann Hoppe (2014) und
– Josef Hoppe, genannt Hoppen Schwatte, zwecks Vergrößerung PKW-Ausstellungsfläche Rinke & Knipps (2006),
– Elektromeister Manfred Moritz (2015), 
– Haus Sprenger bis zuletzt bewohnt von Familie Bücker (2018), 
– VW-Autohaus Rinke & Knipps, Abriss und Wiederaufbau (2006-2007,) 
– WLE-Wartehäuschen und Eisenbahnhaltestelle nach Einstellung des Personenverkehrs (nach 1972), 
– Doppelhaus Hoppe/Farke und Siepmann-Pförtnerhäuschen (ca. 1971), 
– Ford-Werkstatt und BP-Tankstelle Meinold, Neubau bft-Tankstelle. 

2015: Abriss des Hauses Moritz, zu sehen die alte die Haustür des einstigen Elektromeisters.

Die heutige gut ausgebaute Bundesstraße 55 (Lanfer) ist eine der vielbefahrensten Straßen seit der Industrialisierung, über die beachtliche Mengen an Gütern transportiert werden. Der gesamte Verkehr führte bis zum 27. August 2004 durch die Bahnhofstraße. Erst dann wurde der Durchstich, eine über mehrer Jahrzehnte geplante Entlastungsstraße seiner Bestimmung übergeben. 

Text und Fotos Michael Sprenger

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