Von Michael Sprenger
Erste Häuser wurden 1940 bezogen – der Straßenname stammt vom Fabrikanten Wilhelm Hammacher
Genauso wie die Heinrich-Kamp-Straße und die Beukenbergstraße stammt der Name des Hamacherrings von einem Fabrikanten des 19. Jahrhunderts. Wilhelm Hammacher, er schrieb sich entgegen der Straßenbezeichnung mit zwei “m“, kam aus Dortmund und erwarb 1840 ein Viertel der St. Wilhelmshütte in Warstein. Im Laufe der Jahre erwarb er weitere Anteile und war die bestimmende Persönlichkeit des Unternehmens. Das Unternehmen firmierte später unter Gewerkschaft der St. Wilhelms Hütte. Hammacher war maßgeblich an der Modernisierung des Unternehmens beteiligt. Er starb 1882 in Nizza. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen in Warsteiner Eisenwerke umfirmiert. Der Betrieb bestand bis 1967.
Die Flurkarte, angefertigt von Geometer Lammert aus dem Jahr 1866 zeigt rechts, direkt an der „Coblenzer Straßse“, heute die Bundesstraße 55, den Besitzer des großen Grundstücks, „Wilhelm Hammacher zu Warstein“. Danach war der Fabrikant Besitzer des Grundstück, heute Hamacherring und somit wurde nach dem Warsteiner Industriellen in Belecke diese Straße benannt.
Die Schreibweise mit einem „m“ scheint sich erst in jüngster Zeit eingeschlichen zu haben. Noch 1960 schrieb man den „Hammacherring“ richtig, wie die entsprechende Seite XIII/I des „Heimat-Adressbuch Kreis Arnsberg 1960“ zeigt.
Viele Belecker arbeiteten in der Warsteiner Hütte, zumal die Phönix-Werke 1929 die Produktion im Drahtzug einstellte. 300 Arbeiter waren damals arbeitslos. Im Belecker Buch von 1938 ist die geplante neue Straße im Süden Beleckes schon als gestrichelte Linie eingetragen und im gleichen Jahr begannen einige Familien mit dem Bau ihres Eigenheims. Sie waren fast alle gleich gebaut. Für damalige Verhältnisse modern gestaltet und mit einem großen Garten. Parterre eine große Küche, die gute Stube und ein weiteres Zimmer, im Treppenhaus, ein paar Stufen höher die Toilette. Im Dachgeschoss drei weitere kleine Zimmer. Die Häuser wurden mit der Heimstätte gebaut und alle Hausbauer mussten sich an die strengen Auflagen halten. Ein Badezimmer war nicht gestattet, die Größe der Zimmer hingegen war den Hausbauern selbst überlassen. Am Badetag, meist samstags, ging es in den Keller in die Waschküche. Das Badewasser im großen Wäschepott oder im Badeofen mit Holz und Kohle angeheizt badete die Familie in der großen Zinkwanne. Natürlich waren die Bewohner zum größten Teil Selbstversorger, neben dem Garten hatten sie auch Vieh, meistens ein Schwein, Ziegen, Schafe, Kaninchen und Hühner. Dafür gab es im Keller extra einen Stall, noch bis 1953 war es Vorschrift für jedes neu gebaute Haus.
Erste Häuser 1940 bezogen
Um 1940 bezogen die Familien Anton Gördes, Johannes Gauseweg, genannt Stinnes, Theresia Heutger, Karl Guntermann, Eickhoffs, später heiratete hier Walter Jindra ein, Heppen, Ludwig Ogrodowski, Georg Cebulla, HansLöbbecke und Clemens Müller ein. Die Häuser von Clemens Köster, Josef Lütkeduhme und Witwe Kors waren bereits vor 1940 gebaut. Auf der gegenüberliegenden Seite Familien Wilhelm Risse, Bernhard Rademacher, Josef Ebers, Sauers, Störs, später August Rafalcik, Franz Schiermeister und Knappsteins. Clemens Müller baute als einziger am Hamacherring ein Fachwerkhaus, seine Nachbarn Löbbecke, Cebulla und Ogrodowski kleine Einfamilienhäuser, die noch heute so erhalten sind wie sie vor über 80 Jahren gebaut wurden. Erst nach der Währungsreform 1948 bautenClemens Schröders, Ernst Koers und Theodor Bange ihr Eigenheim am unteren Hamacherring.
Fast alle Häuser erhielten im Lauf der Jahre einen Anbau.
Viele Familien waren sehr froh ein eigenes Heim zu besitzen, meistens lebten mehrere Generationen unter einem Dach. So auch Familie Ebers. Hier wohnten die Großeltern, Josef und Elisabeth Ebers zusammen mit ihrem Sohn Horst, genannt Alex, dessen Ehefrau Margret und sechs Söhne. Mit den Onkels zusammen konnten sie eine Fußballmannschaft stellen.
Genauso erging es Familie Ogrodowski. Ludwig, Jg. 1894 bezog mit seiner Frau Luise ihr neu errichtetes Wohnhaus 1940. Sein Sohn Ludwig mit Ehefrau Else zogen 1946 mit ihren sechs Kindern ebenfalls in dieses Haus ein und da es für alle zu eng war baute Ludwig jun. für seine Eltern als erstes Haus am Hamacherring ein Wohnhaus in der zweiten Reihe. Ludwig sen. kaufte sich zur Fußball-Weltmeisterschaft 1958 einen Fernseher, den dritten in Belecke. Viele der Nachbarn verfolgten die Fußballspiele von der Straße, quasi eine Frühform des Public Viewings.
Bei Rademachers war es noch enger. Bernhard und Anna Rademacher sen. bauten dieses Einfamilienhaus mit ihrem Sohn im Kriegsjahr 1940. Bernhard sen. war auch Mitgründer der Belecker Feuerwehr 1924. Hier wohnten die Großeltern mit der Familie seines Sohnes Bernhard und dessen Ehefrau Alwine mit ihren fünf Kindern, zusätzlich Familie Heppner mit drei Mädchen. Dazu noch Tante Anni, die im Nachbarhaus ein Zimmer bewohnte, aber tagsüber bei Rademachers lebte und Alwines Vater, genannt Opa Tünte. 16 Personen in einem kleinen Haus, dass erst 1953 einen Anbau erhielt. Heute nicht vorstellbar. Aber sie waren glücklich und zufrieden, aus diesem Grund spielte sich das Leben der Familie Rademacher meist auf der Straße ab. Bernhard Rademacher jun. war Hausmetzger, er schlachtete mit Alfred Pöschel aus der Wiesenstraße in vielen Haushalten Schweine, Ziegen, Schafe, Hühner und im Gasthof Hoppe war er Hausmetzger.
Nach der Währungsreform wurde weiter gebaut
Bei Clemens Schröder sen., Vater von Ludwig, Marita und Clemens war es so, dass er das Grundstück vor dem Krieg kaufte, nutzte es aber nur für seine Hühner. Auf dem Grundstück baute er einen Hühnerstall und aus einer kleinen Quelle kam so viel Wasser, dass es für die Hühner ausreichte. Da sie im Haus Rhode, Lanfer 63 wohnten, brauchte er nur das Futter mitbringen. Clemens kam 1947 aus der Gefangenschaft zurück und baute sein Wohnhaus. Beim Aushub half man sich gegenseitig, auch die Musiker des damaligen Kolpingorchesters packten tatkräftig mit an und Bauer Rubarth,genannt Wauker, fuhr mit einem Leiterwagen, er hatte die Seiten mit Brettern verstärkt, den Aushub ab. Alles mit Spitzhacke, Schaufel und Schubkarre abgetragen. Und es waren unter den Hamacherringbewohnern viele Handwerker die nun hier eine neue Heimat hatten. Viele arbeiteten in den Industriebetrieben in Belecke und Umgebung, einige waren selbstständige Unternehmer.
Nach dem Krieg betrieb Jan Jorissen, Hamacherring 12, einige Jahre einen kleinen Obst- und Gemüseverkauf. Später machte er sich in der Bahnhofstraße im Bereich des ehemaligen Bauernhofs Cruse-Hahnemann mit einer Reinigung und Heißmangel selbstständig.
Lebensmittel gab es am Hamacherring 25. Dieter Rafalcik, ein begeisterter Fußballspieler im TuS Belecke, betrieb einen kleinen VIVO-Markt in seinem Wohnhaus. Alle Artikel des täglichen Bedarf gab es dort zu kaufen. Wie damals üblich gab es nach jedem Einkauf Rabattmarken. Nach seinem frühen Tod übernahm Karin Risse die Versorgung mit Lebensmittel für die Bewohner des kleinen Stadtteils in ihrem Wohnhaus Hamacherring 35a. Diesen betrieb sie viele Jahre mit aktiver Unterstützung ihres Ehemanns Hubert. Weitere Lebensmittelgeschäfte im Bornholzgebiet waren Carola Schmitz A&O, Josef Dickes Milchgeschäft und schräg gegenüber Scheffels Feinkostgeschäft, hier duftete es immer nach frischem Kaffee. In der Linnhoff-Straße, später Adolf-Kolping-Straße, der Konsum, eine Filiale des Hauptgeschäfts aus der Weststraße. Ein weiteres Lebensmittelgeschäft betrieb Martha Hoppe in der Lanfer, heute Gasthof Hoppe.
Wer kannte in den 1960er Jahren Guntermanns Kalli nicht. Er war Kleinwüchsig, von Beruf Radio- und Fernsehtechniker mit Werkstatt und Ladenlokal. Bei der Fußballweltmeisterschaft 1958 hatte er einen Fernseher in seiner Garage aufgestellt und viele Hamacherringbewohner schauten zu. Kalli Guntermann hatte nach Familie Siepmann den zweiten Fernseher in Belecke. Nebenbei betrieb Kalli ein Taxiunternehmen, er war Deutschlands kleinster Taxifahrer.
Es gab noch ein weiteres Taxiunternehmen. Heinz Wenske hatte sich hier selbstständig gemacht. Seine Telefonnummer kannte fast jeder: 484, und auf den Nummernschildern seiner schwarzen Mercedes-Limousinen stand ebenfalls 484. Er gab sein Geschäft zum Ender der 1960er Jahre auf und die Familie zog nach Berlin.
Am Hamacherring 1 wohnte Maurermeister Wilhelm Schrewe mit seiner Familie, er baute mit seinen Mitarbeitern in den 1950er und 1960er Jahren viele Wohnhäuser in der Bornholzsiedlung und am Sellerberg.
Zum Ende der 1960er Jahre gründete Maurermeister Walter Stock sein Bauunternehmen. Neben vielen Gebäuden auch über die Warsteiner Grenzen hinaus baute er 1970 den damals neuen Trinkwasser-Hochbehälter in Verlängerung der Hirschberger Straße.
Auch selbstständige Malermeister gab es am Hamacherring. Vater Theodor und Sohn Theodor Bange betrieben dort ein gemeinsames Malergeschäft.
Jeden morgen frische Brötchen aus Scherers Bäckerei. Bäckermeister Johannes Scherer betrieb ab 1948 eine Bäckerei, später unterstütze ihn sein Sohn Siegfried. Die Backwaren verkauften sie im Ladenlokal und Siegfried fuhr mit einem Lieferwagen, an festgelegte Haltepunkte in Belecke und verkaufte Brot und Gebäck. Bäckermeister Scherer war so kulant, das er es den Nachbarn in der Vorweihnachtszeit ermöglichte ihre selbstgebackenen Plätzchen in seinem großen Backofen abzubacken. Siegfried hatte noch eine weitere Beschäftigung. Jeden Vormittag fuhr er mit seinem Lieferwagen bestimmte Straßen an und sammelte Henkelmänner ein. Die Ehefrauen der bei den Siepmann-Werken, AEG, Esser-Werken und Stahl-Armaturen arbeitenden Männer brachte Scherer so das frisch zubereitetet Mittagessen.
Wenn der Hamacherringbewohner einmal überraschend Besuch bekam und keine Getränke im Haus hatte, dann schickte er seine Kinder entweder nach Rellecken, Rademachers oder Gosselken, sie verkauften an der Haustür Flaschenbier, Limonade und Mineralwasser.
Es gab am Hamacherring auch einen Polizeiposten. Ein Schild an der Hauswand bei Lütkeduhmen wies darauf hin. Hier wohnte viele Jahre Familie Drüke. Karl Drüke war Polizist und verrichtetet hier seinen Bezirksdienst, danach zog Familie Eifler in die Wohnung auch Edmund Eifler war Polizeibeamter und versah hier seinen Dienst.
Der Hamacherring ist eine Prinzenhochburg. Zu dieser Feststellung kam Prinz Dirk I. 2020 als er seinen Paragraphen zur Prinzenproklamation den letzten Feinschliff gab. Prinzen waren: Prinz Franz-Josef III. aus dem Hause Schiermeister (1984), Prinz Heiner I. aus dem Haus Biermann (2000), JuKa-Kinderprinz Maik I. aus dem Haus Ahlers (2011), Prinz Thomas I. aus dem Hause Schöne (2012), Prinz Thomas II. aus dem Hause Heutger (2018), Prinz Martin I. aus dem Hause Seidelmann (2020) Prinz der Karnevalsgesellschaft Drewer und Prinz Dirk I. aus dem Hause Breitkopf (2020).