In seiner Predigt zum Sturmtag hat Pfarrer Gudermann die aktuelle Frage gestellt: was ist los mit Europa? Dabei hat er sich auch auf die Worte des Papstes berufen und uns ermahnt, immer wieder die christliche Wertebasis zu erneuern.
Papst Franziskus: „Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit?“
Was ist zu bedenken?
Europa ist ein Krisenherd geworden. Europa ist nicht mehr Rettung, sondern Risiko.
Die Europäische Union steckt in einer tiefen Krise, vermutlich in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Welches Europa wollen wir? Europäischer Bundesstaat, Staatenbund, Staatenverbund?
Europäische Integration ist die Suche nach Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts geworden. Die europäischen Krisen der vergangenen Jahre konnten für die Integration Europas nicht genutzt werden.
Eurokrise und Flüchtlingskrise sind zwei Kernprobleme. Hier wird schon deutlich: Ohne Solidarität sind sie nicht zu lösen. Solidarität setzt aber Subsidiarität voraus. Hier liegt wohl ein fundamentales Defizit der Europäischen Union.
Bundespräsident Gauck sagt es so:
„Wir erleben zurzeit einen Rückzug auf nationale Antworten, die mancherorts gesucht und präferiert werden… Wir erleben eine Krise des Vertrauens, des Vertrauens in das politische Projekt Europa, so wie es bisher existiert…
Die Populisten reüssieren zumeist, gerade weil sie die europäische Integration und die gemeinsamen Institutionen, besonders die gemeinsame Währung, aber auch Offenheit und Freizügigkeit zum Feindbild erkoren haben…
…Der Kern des Unbehagens war und bleibt die Frage, wie weit die Bevölkerungen der einzelnen Staaten sich auch zu einer europäischen Identität bekennen wollen und können… Hinzu tritt bei manchen das Gefühl der Entgrenzung durch die Globalisierung. So wird die Rückwendung zum nationalen Denken erklärlich, auch wenn wir glaubten, längst gelernt zu haben, dass wir als Europäer im Weltmaßstab nur als größere Gemeinschaft handlungsfähig bleiben und wettbewerbsfähig werden …
Es geht um nichts weniger als die Grundlagen unserer Friedensordnung, um die Bedrohung unserer grundlegenden Werte und Haltungen und um unsere Sicherheit…
Trotzdem bleibt da noch die Frage nach der Rolle der Nation und ihres Verhältnisses zur Union. Wir wissen: Die Sorge, der Nationalstaat werde sich in einem künftigen Europa von selbst auflösen, sie entbehrt der Grundlage. Der Nationalstaat wird wichtiger Bezugspunkt für Identität und Identifikation bleiben. Und solange die Bürger Europas sich scheuen, mehr nationale Souveränität abzugeben, werden nun die Nationalstaaten umso mehr verpflichtet sein, gemeinsam mit Brüssel den Europagedanken zu verteidigen und angesichts neuer Herausforderungen mit Leben zu erfüllen.“
Als Ergebnis vielfältiger Diskussionen sollten unsere Bestrebungen gerichtet sein auf das ebenso Mögliche wir Wünschenswerte. Ein Kontinent der Vielfalt, der vielen Sprachen und Kulturen und Religionen-das ist Europa. Dieses Europa verträgt keinen Zentralismus. Es kann auch kein Bundesstaat amerikanischer Prägung werden. Um die Einheit in der Vielfalt zu ermöglichen kommt es auf die Formen der Kooperation und Zusammenarbeit an. Zu denken ist dabei auch eine flexible Kooperation innerhalb der Union. Eine europäische Armee z.B. müssen nicht sofort von allen Mitgliedsstaaten, sondern könnte von einigen Mitgliedstaaten gebildet werden, von jenen also, die bereit sind einen weiteren Integrationsschritt zugehen Die verbindende Rahmenordnung bilden die europäischen Institutionen wie Parlament, Rat, Kommission und europäische Gerichtsbarkeit.
Freiwillige Kooperation und Koordination sollten als Chance begriffen werden für einen europäischen Weg der globalen Mitverantwortung und Mitgestaltung
Hermann Kroll-Schlüter
Pfingsten 2016