Theophanu, die Frau der einst Belecke gehörte

Wer kennt Theophanu, die Frau der einst Belecke gehörte?
Von Albert-Friedrich Grüne
Kaiserin Theophanu (ca. 960 – 991) war in Ihrer Zeit nicht nur die reichste Frau Beleckes, sondern dürfte vor etwas mehr als 1000 Jahren auch die reichste Frau Europas gewesen sein. Für die Zeit sehr ungewöhnlich, wurden zumindest die adligen Frauen in der ottonischen Epoche (919 bis 1024) nicht von der Teilnahme am Rechtsverkehr ausgeschlossen. Frauen von Adel durften ein eigenes Vermögen bilden und auch Erbrechte geltend machen.

Nach dem frühen Tod Ihres Mannes Kaiser Ottos II. (983) und nachdem Ihr auf dem Reichstag in Frankfurt (985) die Herrschaft über das ostfränkische Reich zugesprochen wurde, zeichnete Sie Ihre Urkunden aber immer in der männlichen Form  als „Kaiser“ und nicht als „Kaiserin“. Die Signatur lautete: „Theophanius, durch göttliche Gnade erhabener Kaiser“ („Theophanius gratia divina imperator augustus“). Der Mitverfasser der Belecker Stadtgeschichte Dr. Walter Dalhoff erklärt zum Erwerb Beleckes durch Theophanu: „Eine Urkunde Kaiser Ottos II. (973-983), die keine Jahreszahl trägt, vermeldet uns, dass er den Ort Belecke (locus Patelecke) seiner Gemahlin, der Kaiserin Theophanu, zum Geschenk machte, und zwar mit allen Vorteilen und Häusern, die zu die diesem Orte gehören, ferner mit den Hörigen, den Gebäuden, Ländereien, sowohl bebauten wie unbebauten, den Wiesen, Weiden, Waldungen, Gewässern, Mühlen usw..  Wenn der Kaiser diese Schenkung so feierlich beurkundet, so dürfen wir wohl annehmen, dass Belecke ein ganz ansehnlicher Besitz war. Mit einer kärglichen Gabe konnte der Kaiser nicht gut aufwarten. Und anziehend muss dieser Ort damals auch schon gewesen  sein. Zu welchem Zwecke hätte sich die kaiserliche Frau dies Besitztum übertragen lassen sollen, wenn nicht, um hier hin und wieder zu weilen?“  
Die Übertragung Beleckes auf Theophanu könnte 972 anlässlich Ihrer Vermählung mit Otto II. in Rom und Krönung zur Kaiserin durch Papst Johannes XIII erfolgt sein. Auch für das Jahr 974 sind weitere umfangreiche Übertragungen von Besitztümern auf die Gemahlin Ottos II. bekannt. Wie muss man sich Belecke zum Zeitpunkt der Übertragung auf Theophanu vorstellen? Dr. Dalhoff führt hierzu aus: „Wir müssen uns unter diesem „Ort Belecke“  eine ausgedehnte  kaiserlich – königliche Villikation vorstellen, d.h. einen Hofesverband. Da war ein Haupthof mit einem Verwalter, der Meyer hieß oder Schulte. Zu dem Haupthof gehörten mehrere Nebenhöfe. Mehrere Mühlen gehörten zu dieser Villikation, ein Beweis für Ihre Größe.“

Kaiserin Theophanu (ca. 960-991) ist auf dem Buchdeckel des “Codex Aureus“ (Kloster Echternach, Luxemburg) noch zu Lebzeiten (vermutlich im Jahre 989) abgebildet worden.

 

Hat Theophanu nun tatsächlich einmal Ihre Besitzung Belecke besucht? Urkundlich konnte dies bisher nicht belegt werden, aber Theophanu ist in Ihrem kurzen Leben viel gereist (Sie war vermutlich erst 31 Jahre alt als Sie 991 in Nimwegen starb) und  für das Jahr 987 ist auch ein Aufenthalt in Dortmund belegt. Es kann also durchaus sein, dass Belecke einmal ein Etappenziel auf Ihren zahlreichen Reisen gewesen ist. Auch während des Slawenaufstands ab 983, der einen bedeutenden Krisenherd für das Reich darstellte und sich im sächsisch-thüringischen Raum konzentrierte, sind Besuche Beleckes durch Theophanu denkbar.      
Wer war die ungewöhnliche Frau mit Namen Theophanu (übersetzt „Gotteserscheinung“), der einst Belecke für fast zwei Jahrzehnte gehörte und die als Frau von Otto II. für 11 Jahre Mitkaiserin  und für 7 Jahre Kaiserin des heiligen römischen Reiches deutscher Nation wurde? Sie wurde vermutlich um 960 in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) geboren, wuchs als Tochter des Feldherren Theophanus Skleros am dortigen Hof auf und wurde als eine Nichte des oströmischen Kaisers bezeichnet.  Der Vater von Otto II., Otto I., der Große (912-973), hatte schon lange  versucht für seinen Sohn eine Tochter des byzantinischen Kaisers als Gemahlin zu bekommen. Als ihm nach mehreren vergeblichen Versuchen nun Theophanu mit einer reichen Mitgift als Schwiegertochter offeriert wurde, konnte er Sie schon aus diplomatischen Gründen kaum zurückweisen.  Mit dieser Verbindung sollte insbesondere auch die Legitimität der Ottonen als Nachfolger des weströmischen Kaisers gefestigt werden. Umgekehrt betrachtete der oströmische Kaiser  seine Nichte Theophanu als sein Faustpfand für den Pakt mit Otto dem Großen, dem aufstrebenden Imperator des Westens, den schon Widukind von Corvey als das „Haupt der ganzen Welt“ („totius orbis caput“) bezeichnete.  

Der Buchdeckel des „Codex Aureus“ wird heute im Kloster Echternach in Luxemburg ausgestellt. Unten rechts ist Theophanu als jugendliche Kaiserin abgebildet. Der „Codex Aureus“ ist (ca. 989) noch zu Ihrer Lebenszeit entstanden.

Theophanu und Otto II. hatten fünf Kinder, als das jüngste Kind wurde der Thronfolger Otto III. im Jahre 980 geboren. Otto II. hatte ihn schon mit drei Jahren 983 in Aachen zum König wählen lassen. Kurze Zeit später starb Otto II. (möglicherweise  an Malaria) und die Thronstreitigkeiten begannen. Theophanu schaffte es jedoch sich gegen alle Widersacher durchzusetzen und avancierte zu einer der einflussreichsten Herrscherinnen des Mittelalters. Mit Ihrer klugen Politik konnte Sie so die Zeit vom Tode Ihres Mannes bis zur Volljährigkeit Ihres Sohnes Otto III. überbrücken.
Nach Ihren frühen Tode im Jahre 991 wurde Sie auf eigenen Wunsch in der Abteikirche St. Pantaleon  in Köln beigesetzt, wo Belecker Sie (aber auch andere Interessierte) auch heute noch besuchen können. Zuletzt in den 1960iger Jahren wurde Sie dort in einen neugestalteten Sarkophag aus Naxos Marmor – wieder einmal – umgebettet. So ist Sie in den letzten 1000 Jahren doch immer recht nah bei Ihrem ehemaligen Besitz Belecke geblieben.
Über acht Jahrhunderte lang wurde in St. Pantaleon an Ihrem Todestag, dem 15. Juni, eine Gedenkmesse zur Ehren von Theophanu gelesen, bis Napoleon Bonaparte die Abtei 1803 säkularisierte. Mir ist kein vergleichbarer Fall bekannt, wo über einen so langen Zeitraum regelmäßig Gedenkmessen gelesen wurden. Als dem Sichtigvorer Caspar Grundhoff  (und seiner Frau) für seine kostenlosen Arbeiten an der Kreuzbergkapelle auf dem Loermund um 1890  eine jährliche Gedenkmesse nach seinem Tode „auf ewig“ versprochen wurde, hätte er feststellen können, dass „die Ewigkeit“ schon mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges endete. Vermutlich kam man mit dem Lesen der versprochenen Messen infolge der vielen Kriegstoten nicht mehr nach.

Unten links ist ihr Sohn Otto III. abgebildet, dem sie den Trohn gerettet hatte.
 

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