Vor der Werkstatt von Hubert Geisthoff an der Möhnestraße in Sichtigvor reiht sich ein Grabmal an das andere. Aus dem Rahmen fällt ein steinernes Kreuz. Zwei miteinander verbundenen Eichenstämmen nachempfunden erinnert es an einen grausigen Fund am Stimm Stamm. Die Inschrift gibt Aufschluss über die Herkunft des Gedenksteines: „Bete für den Ing. August Rhode aus Belecke der am 15.7.1945 erschlagen aufgefunden wurde.“
Hubert Geisthoff erstellte den Gedenkstein, den die Rhode-Brüder Siegfried, Herbert und August beim Steinmetz in Augenschein nahmen.
Als der Orkan Kyrill im Januar 2007 über dem Sauerland wütete, stand das Kreuz aus Sandstein im Wald zwischen Warstein und Meschede. Danach verschwand es unter eingestürzten Baumstämmen und kam erst Jahre später bei Forstarbeiten wieder zum Vorschein – aus der Verankerung gerissen und teilweise zerstört. Die drei Söhne des Ermordeten, Siegfried, Herbert und August Rhode ließen die Überreste nach Sichtigvor transportieren, wo es von Hubert Geisthof restauriert wurde. Am Wochenende nahmen die drei Nachfahren es in Augenschein und waren mit der Arbeit des Handwerkers zufrieden. Im Geschichtsbuch „Wie war das“, zusammengetragen und herausgegeben vom Arbeitskreis der Volkshochschule Möhne-Lippe, wird der Sommer 1945 eindrücklich beschrieben. Damals, am 15. Juli, verbreitete sich in Oberbelecke die Nachricht, dass Spuikers (Rhoden) August am Stimm Stamm von Fremdarbeitern erschlagen wurde. Niedergeschrieben sind die Erinnerungen von Schwägerin Clara Jesse. Sie berichtet von ihrer Schwester, die mit Ehemann (August Rhode) und drei kleinen Jungen in Hagen wohnte und ausgebombt wurde. In Belecke bezog die Familie eine kleine Wohnung bei Humperts in der Wilkestraße. Nach Kriegsende machte sich August Rhode auf den Weg nach Hagen um zu erkunden, ob eine Rückkehr möglich wäre. Viele Bahnstrecken waren zerstört, Busse fuhren kaum. Clara Jesse: „Wir wussten nicht, wie er den Weg bewältigen und wann er zurückkommen würde.“ Dann wurde seine Familie über den Fund eines Toten am Stimm-Stamm informiert. In der Gesäßtasche seiner Hose, dem einzigen Kleidungsstück, das er noch trug, war ein kleines Notizbuch gefunden worden. Der Eintrag „Rhode“ ließ sich entziffern. Bruder und Schwager des Opfers machten sich mit dem Fahrrad auf nach Meschede, um den Ermordeten zu identifizieren. Ihnen bot sich ein furchtbarer Anblick. „Zur Unkenntlichkeit zusammen geschlagen, von der Sommerhitze teils verwest, wahrscheinlich von Füchsen und Wildschweinen heimgesucht, lag er unter grünen Tannenzweigen.“ Die Familie ließ den Leichnam mit Hilfe von Bauer Clemens Bange, Freunden und Nachbarn auf einem Pferdefuhrwerk nach Belecke holen, wo er auf dem Friedhof bestattet wurde. Natürlich versuchte man herauszufinden, wie und warum August Rhode unter die Räuber gefallen war. Die Rekonstruktion der Ereignisse ergab, dass er von Hagen nach Meschede mit der Bahn gefahren sein muss. Über den Stimm-Stamm verkehrte noch kein Bus. Obwohl es gefährlich war, sich nachts auf den Heimweg durch den Wald zu machen – Fremdarbeiter hatten schon mehrere Überfälle verübt – wollte August Rhode wohl möglichst schnell zu seiner Familie zurück. Das Geschichtsbuch beschreibt ihn als „Kerl wie ein Baum“ der keine Angst kannte. Am siebten oder achten Juli brach er abends zu Fuß von Meschede nach Belecke auf. „Er hat seinen Mut mit dem Leben bezahlen müssen.“ Sein jüngster Sohn August (70) war damals gerade erst anderthalb Jahre alt. Gemeinsam mit seinem Brüdern Siegfried (77) und Herbert (74) wird er den restaurierten Gedenkstein schon bald wieder dort aufstellen, wo sein Vater auf so grausame Weise ums Leben gekommen ist. (Ingrid Schmallenberg)
Der Gedenkstein des ermordeten Beleckers August Rhode