„Exodus-Zyklus“ von Marc Chagall in der Schatzkammer Propstei Belecke

Außergewöhnliche Ausstellung anlässlich des 25-jährigen Bestehens.

Ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk machten sich jetzt der Anno-Museumskreis und die Schatzkammer Propstei zu ihrem 25. Jubiläum. Zur Eröffnung der Sonderausstellung von Marc Chagalls „Der Exodus-Zyklus“ konnte Joseph Friederizi am Donnerstag zahlreiche Kunstliebhaber begrüßen – darunter Kulturausschuss-Vorsitzende Elke Ibing, Geistlicher Rat Josef Sauerwald, Pfarrer van Lieshout und Hans-Jürgen Raulf vom Kultur- und Heimatverein Badulikum. Einen besonderen Gruß richtete der Museumsskreissprecher an Frank Weber, Vorstandsmitglied der Sparkasse Lippstadt, die durch finanzielle Unterstützung die Ausstellung erst ermöglicht hatte. Als Laudator konnte Markus Gudermann, Leiter des beiden Pastoralverbünde Möhnetal und Warstein, gewonnen werden.

„Marc Chagall ist einer der größten Meister des 20. Jahrhunderts, der mit seinem Schaffen die Kunstwelt nachhaltig beeinflusste. Ein einzigartiger Mythenerzähler von unglaublich schöpferischer Kraft – ein malender Poet“, stieg Gudermann in die Biografie des russisch-französischen Malers ein, der 1985 97-jährig in Saint-Paul-de-Vence starb. Ursprung seiner Schöpfungen war stets die religiöse Erlebniswelt seiner Kindheit, antike Mythen und Legenden. Seine bevorzugten Wesen waren verliebte, verzauberte und verträumte Gestalten, schwerelos und der Realität entrückt. Die lichte, offene Zeichensprache, das zarte Schweben der Bildmotive entwickeln eine reizvolle Sprache der Fantasie. Der Betrachter wird überwältigt von der Harmonie des Themas und er poetischen Schönheit der Farben. Marc Chagall selbst beschrieb seine Malerei als „die glückliche Vision einer wünschbaren Welt“ und versteht sie als ein Gegenbild der Realität.


Der Künstler wird 1887 als Sohn jüdischer Eltern in der weißrussischen Stadt Witebsk geboren. Er ist 20 Jahre alt, als er nach Sankt Petersburg geht, um Malerei zu studieren. Erstmals sieht er dort Bilder der europäischen Moderne und ist von ihnen so fasziniert, das er 1910 nach Paris eist. Im Atelierhaus „La Ruche“ mietet er einen winzigen Arbeitsraum, seine Nachbarn sind Lèger und Modigliani, er lernt Soutine, Archipenko und die Delaunays kennen. Chagall lebt inmitten der Avantgarde, doch nicht die moderne Technik und der Blick nach vorn interessieren ihn, sondern wie er am wirkungsvollsten die nostalgisch-poetische Welt seiner Kindheitserinnerungen fassen kann. Als er die Farben und Formen der Kubisten sieht, weiß er: Mit ihnen kann er die Entrücktheit der kleinen Stadt mit ihren schiefen Holzhütten ebenso darstellen, wie die jüdischen Familienfeste, den Taumel erster Verliebtheit oder den fliegenden Geiger als Sinnbild Ahasvers, des rastlosen Juden. Bereits seine erste Ausstellung 1913 in Berlin macht ihn schlagartig berühmt und etabliert sich als Künstler in Paris. 1930 erhält er den Auftrag die Bibel zu bebildern. Es folgen schwere Zeiten. Chagall flieht vor dem Krieg in die USA. Der Tod seiner Frau lähmt seinen Schaffensfluss. Später wird er in der Darstellung der antiken Liebesgeschichte von „Daphnis und Chloé“ die persönlichen Veränderungen seines Privatlebens verarbeiten und auch den neuen Lebenskreis darstellen, den er mit einer zweiten Heirat betritt. Chagall erschafft neben Lithografien und Bibelillustrationen auch monumentale Kunst im öffentlichen Raum: Ende der 50er Jahre entdeckt er die Glasmalerei für sich und entwirft Fenster für zahlreiche große Kirchenhäuser. 1966 erscheinen die 24 Farblithographien unter dem Titel „Exodus“, dem zweiten Buch Mose. Bemerkenswert an diesem Werk, das bis zum 1. Oktober in Belecke zu sehen sein wird, ist die Beschränkung auf ein bestimmtes Buch der Bibel. Diese Auswahl kam nicht zufällig. Der Exodus, der Auszug aus Ägypten, ist wichtigste Grundtatsache biblischer Verkündigung, das Verlassen des Gehabten und der Weg in die Zukunft des Verheißenen allein im Vertrauen auf Jahwe, den Gott des Errettens. Der Auszug ist für das jüdische Volk Symbol der eigenen Geschichte und gleichzeitig aktueller denn je. „Millionen von Menschen flüchten auch noch im Moment vor Hunger, Kälte und Krieg. Was bewegt die Menschen, die sich auf den Weg machen?“, zeigte Gudermann auch den Bezug zur Gegenwart auf.  Über ein halbes Jahrhundert hat sich Chagall mit biblischen Themen beschäftigt und gilt zu Recht als Maler der Bibel. Die Besucher waren von den farbenfrohen und ausdrucksstarken Exponaten begeistert. Musikalisch bereichert wurde die Ausstellungseröffnung durch das Flöten-Ensemble „Da Capo“.

Eigens für die Sonderausstellung hat der Museumskreis seine Eintrittszeiten verlängert:

Die Sonderausstellung kann mittwochs, samstags und sonntags jeweils von 14.30 bis 17.30 Uhr besucht werden.

Text und Fotos: Gaby Schmitz

 

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