Der „Kleine Speicher“ im denkmalgeschützten Ensemble „Stütings-Mühle“

Tag des offenen Denkmals an Stütings-Mühle – wie wurde vor 180 Jahren mit Lehm gearbeitet? 

Der Tag des offenen Denkmals am 11. September 2016 steht ganz im Zeichen des gemeinschaftlichen Handelns und ist hochaktuell. Es lehnt sich an den Vorschlag des Europarats an, die „European Heritage Days 2016“. In Warstein können die Besucher das Haus Kupferhammer und in Belecke Stütings-Mühle besichtigen. Auf diesen Tag haben sich die Männer der Belecker Nachtwächterzunft, die Sturmtagskanoniere und der Arbeitskreis Mühlrad intensiv vorberietet, sie freuen sich auf die Besucher, denen sie das Mühlengelände näher bringen möchten.

Zur Geschichte des Ensembles Stütings-Mühle:

Stütings-Mühle um 1900

Mühlen waren im Mittelalter wichtige Einnahmequellen. Für die Bauern galt ein Mühlzwang, so zum Beispiel für Getreide. Das bedeutete, dass sie ihr Korn in einer bestimmten Mühle mahlen lassen mussten. Anschließend führten sie dort zugleich einen Teil des Mehls als Abgaben ab. In Belecke und seiner näheren Umgebung galt der Mahlzwang für die Propsteimühlen. Bereits 1307 war dieses Privileg durch den Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg den Grafschafter Pröpsten zu Belecke verliehen worden.

Außer der Mahlmühle gab es hier über mehrere Jahrhunderte noch eine Sägemühle und auch eine Öl-, Loh- und Walkmühle. Angetrieben wurden alle Mühlen durch das Wasser der Wester, die wegen ihrer 14 Grad warmen Quelle auch im Winter nie zufror. Einige Jahre nach der Aufhebung des Klosters Grafschaft und der Propstei durch die Säkularisation im Jahre 1803 gingen die propsteiliche Mahl- und Sägemühle in den Besitz der Familie Stüting über. Die Mühlen wurden um 1960 stillgelegt und ein Teil des Gebäudekomplexes im Jahr 1964 abgerissen.

Beda Stütting, der letzte Müller in Belecke

Im Jahre 1983 gründete sich ein ehrenamtlich tätiger ,,Arbeitskreis Mühlrad“, alle waren sie Sänger im Belecker Männerchor. sie erneuerten das große Wasserrad, das einen Durchmesser von 4,20 m und ein Gewicht von 2,5 t aufweist. In den Folgejahren wurden durch diese Gruppe auch das Gebäude der alten Sägemühle und das Horizontalsägegatter restauriert und in Betrieb genommen. Die 1905 eingebaute Schachtturbine und der Generator sind völlig überholt, modernisiert und automatisiert worden. Je nach Wasserstand der Wester können jährlich etwa 160.000 kWh umweltfreundlicher Strom erzeugt und in das allgemeine Netz eingespeist werden. Eine erneut notwendig gewordene und umfassende Instandsetzung des großen Wasserrades erfolgte im Jahr 2012 ebenfalls durch den Arbeitskreis in Eigenleistung.

Stütings-Mühle um 1960

Der letzte Besitzer der Mühle, Dr. Heinrich Stüting, hatte das historische Anwesen 1986 der Stadt vermacht. In den ehemaligen Wohngebäuden wurde das Büro des Ortsvorstehers eingerichtet. Seit 2000 befindet sich hier auch eine Polizeidienststelle. Die ehemalige Fruchtscheune der Stütingschen Mühle beherbergt seit 1992 die Bücherei der Stadt Warstein. Die Mühlengebäude stehen unter Denkmalschutz und sind mit Wasserrad und Mühlengraben seit vielen Jahrzehnten ein Wahrzeichen der Stadt.

Ein idyllischer Blick auf die Mühlengebäude

Der Abriss im Jahre 1964, nur das Wohnhaus blieb stehen

Im Jahr 2011 feierte man in Belecke ein Stadtfest zur Fertigstellung und Einweihung des Stadtzentrums; – der Gewinn des Festes, so der Beschluss der Belecker Vereine, sollte zur Attraktivitätssteigerung des Geländes um „Stütings-Mühle“ genutzt werden. Man entschied sich für den Bau einer Naturbühne, den der Kultur- und Heimatverein dann 2014 realisierte.

„Kleiner Speicher“

 

Früher wurde es als Backhaus bezeichnet, doch ein Backofen hat im Gebäude nie gestanden, es diente vielmehr als Hühnerstall und Taubenhaus. 

Der „Kleine Speicher“, ein vier mal fünfeinhalb Meter kleines Fachwerkhäuschen war eigentlich kaum mehr jemandem aufgefallen. Hinter der Fruchtscheune und dem Sägegatter jenseits des Mühlengrabens und fast verborgen hinter dichtem Buschwerk verfiel es immer mehr. Spätestens jedoch, nachdem die neu geschaffene Naturbühne ihrer Bestimmung übergeben wurde, fielen die Blicke wieder auf das verfallene Haus. Einem war der marode Zustand des etwa 180 Jahre alten Gebäudes bereits vorher ein „Dorn im Auge“. Marc Schenuit, der nach seiner Ausbildung zum Zimmermann den Erhalt des „Kleinen Speichers“ 2013 zum Thema seiner Diplomarbeit gemacht hatte – mit dem Ziel, diesen zu erhalten.
Noch bis Weihnachten 2015 arbeiteten die ehrenamtlichen Mitarbeiter am Rückbau des kleinen Speichers.

Damit rannte der Student der Akademie Bauhandwerk in Münster beim Vorstand des Kultur- und Heimatvereins Badulikum sowie dem zu Rate gezogenen Architekt Johannes Ulrich Blecke offene Türen ein. Die Untere Denkmalbehörde und die Stadt Warstein als Eigentümerin wurden informiert. Nach drei Ortsbesichtigungen, immer mit der Diplomarbeit Schenuits als Diskussionsgrundlage, waren sich die Beteiligten einig, dass der „Kleine Speicher“ sanierungswürdig sei. Die Finanzierung, 60.000 Euro wurden veranschlagt, erfolgt zu einem Drittel aus Mitteln der Bezirksregierung Arnsberg, zu einem Drittel aus Fördergeldern der NRW-Stiftung und zu einem Drittel aus Mitteln des Kultur- und Heimatvereins, das vor allem durch Eigenleistung erbracht wird. Voraussetzung für die Förderung war ein zukunftsorientiertes Nutzungskonzept. Die dem Kultur- und Heimatverein angeschlossenen Gruppierungen der „Belecker Nachtwächterzunft“ und der „Sturmtagskanoniere“ konzipierten für den „Kleinen Speicher“ eine historische Dauerausstellung. Thematische Stadtführungen mit Themen wie „Belecke und seine klassizistische Altstadt“ oder „Die Propstei und ihr benediktinisches Erbe“ sollen zukünftig hier beginnen.

 Neue und alte Balken für den Neuaufbau des Speicher zugeschnitten

Der neue kleine Speicher steht fast

Architekt Johannes Ulrich Blecke

So war auch schnell klar, dass „Nachtwächter“ und „Kanoniere“ sich bei den anfallenden Arbeiten besonders engagieren würden. Architekt und Denkmalpfleger hatten sich auf einen kontrollierten Rückbau geeinigt; – dabei musste möglichst viel der historischen Bausubstanz erhalten und für den Wiederaufbau verwendet werden. Dazu wurde ein Abbruchkonzept erstellt, die Baustelle gesichert und die Zuwegung über die Wester in Form einer Brücke errichtet. Danach konnte man das Gebäude einrüsten und im Spätherbst 2015 begann der Rückbau.

Das Fachwerk gestrichen und für die Ausmauerung vorbereitet

Seitdem sind über 1000 ehrenamtliche Arbeitsstunden geleistet worden und bereits am 11. Mai 2016 wurde im Rahmen des 568. Belecker Sturmtages das Richtfest für den „Kleinen Speicher“ gefeiert. Alle Arbeiten werden dabei auf der eigens eingerichteten Homepage http://kleiner-speicher.de/ aufwendig dokumentiert, zu jedem Arbeitsschritt finden sich zahlreiche Fotos.

Erwin Grewe, Adalbert Friederizi und Dieter Flormann gönnen sich ein Feierabendbier.

Nachtwächter Thomas Schrewe als Maurer

Das Dach ist gedeckt, die Gefache fast ausgemauert und als nächstes werden die Gefache verputzt

Ein Blick vom kleinen Speicher auf das Sägegatter

Alle Arbeiten werden nach den Vorgaben der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen mit Sitz in Münster durchgeführt.

Am Tag des offenen Denkmals wird Malermeister Hermann Jesse den Besuchern zeigen, wie die Handwerker in den letzten Jahrhunderten mit Lehm die Gefache der Fachwerkhäuser verputzen. Gleichzeitig führen die Mitarbeiter des Arbeitskreises Mühlrad „Sägen mit Wasserkraft“ vor. Für das interessierte Publikum stellt der Kultur- und Heimatverein Badulikum Informationsmaterial zur Verfügung, verteilt Postkarten und lädt zur Teilnahme an einem Gewinnspiel ein. Natürlich gibt es an diesem Nachmittag auch Kaffee, Kuchen und gekühlte Getränke.

Im Jahr 2017 folgt dann der Innenausbau und die Einrichtung der Dauerausstellung – der letzte Schritt, um das 180 Jahre alte Gebäude seiner neuen und zukunftsorientierten Bestimmung zuzuführen.

Text: Dr. Thomas Schöne und Michael Sprenger
Fotos: Michael Sprenger (Archiv)

 

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